- Griechische Götter
- Griechische GötterDie QuellenNachrichten über die griechischen Götter sind in den frühesten uns erhaltenen griechischen Texten überliefert. Die Namen von Zeus, Hera, Poseidon, Hermes, Athena, Artemis, Dionysos, Hephaistos erscheinen bereits auf den Linear-B-Schrifttafeln aus den mykenischen Palästen aus der Zeit der Zerstörung der Paläste um 1200 v. Chr. Es handelt sich hierbei größtenteils um Weihinschriften, die nur die Namen nennen. Die Verehrung dieser Götter in der minoischen und kretischen Kultur war mit den Wanderungsbewegungen der indogermanischen Stämme aus dem kleinasiatischen Raum nach Griechenland gelangt. Dabei traten bereits früh zu den ursprünglichen indogermanischen Gottheiten (gesichert vor allem Zeus) Götter aus dem orientalischen (Aphrodite, Artemis) oder auch thrakischen Raum (Ares).Die eigentliche Ausformung der Welt der griechischen Götter wurde aber durch die Dichter geschaffen: Die vermutlich im 8. Jahrhundert v. Chr. entstandenen homerischen Epen »Ilias« und »Odyssee« sowie Hesiods »Theogonie«, zugleich die ältesten Zeugnisse der europäischen Literatur, haben den Mythen die bis in die Gegenwart wirkende Gestalt verliehen.Eine systematische, sachliche Beschreibung der Entstehung der Welt, der Generationen der Götter und ihrer Machtkämpfe liefert Hesiod; Homers Epen setzen die Kenntnis der Namen, Eigenschaften und familiären Zusammenhänge häufig voraus und interpretieren die Welt der Götter und Helden im Sinne der adligen Vorstellungswelt zur Zeit des Dichters. Seine Göttergestalten haben individuelle, sogar satirisch gezeichnete Züge. Viele der altgriechischen Göttergeschichten sind allerdings aus jüngeren Texten überliefert, vor allem aus den »Homerischen Hymnen«; die 33 Gedichte unterschiedlicher Länge wurden einst Homer zugeschrieben, stammen wahrscheinlich aber von verschiedenen Autoren, die ältesten aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Die Darstellungen einiger Zusammenhänge (z. B. die Herkunft der Aphrodite) weichen bei Homer und Hesiod voneinander ab. Da viele Mythen nicht oder nur fragmentarisch aus archaischer oder klassischer Zeit überliefert sind (vieles ging durch die Zerstörungen der Alexandrinischen Bibliothek verloren), kennen wir sie nur aus Bearbeitungen späterer Zeit, so aus der unter dem Namen des griechischen Gelehrten Apollodorus überlieferten »Bibliothek«. Von den lateinischen Werken sind die »Metamorphosen« des Ovid die wichtigste Quelle. Hier ist der Mythos endgültig von der Religion getrennt und nur noch literarisches Kunstwerk. Die »Metamorphosen«, bis in die Renaissance das meistgelesene Werk der antiken Literatur überhaupt, prägten lange Zeit das Bild der griechischen Götter in der europäischen Kultur, auch die Verwendung der lateinischen Namen geht darauf zurück.Die Götter hatten - wohl seit frühester Zeit - einen unterschiedlichen Rang. An der Spitze der Hierarchie stand Zeus, wichtig waren auch Athene, Apollon und Poseidon (äußerlich sichtbar auch am Standort der Heiligtümer), andere, wie Hephaistos oder Ares, waren weniger geachtet. Hesiods Epos »Theogonie«, ein Lehrgedicht, beschreibt den Weg des höchsten Gottes an die Macht, beginnend mit dem Anfang der Welt: Aus dem Chaos entstehen Gaia, die Erde, Eros, die Liebe, und Tartaros, der bodenlose Abgrund. Gaia gebiert Uranos, den Himmel, Pontos, das öde Meer, die Gebirge und die Nymphen, das Chaos gebiert die Nacht und das Dunkel (Erebos), beide zeugen den Tag und den Äther. Von Uranos wird Gaia Mutter der Titanen, je sechs Göttinnen und Götter, von denen je vier als Geschwisterpaare die Stammeltern künftiger Götter werden: Okeanos und Tethys, Theia und Hyperion, Phiobe und Koios, Rheia und Kronos. Die anderen Namen sind Kreios, Iapetos, Themis und Mnemosyne. Gaia gebiert aber auch Ungeheuer, nämlich die Kyklopen und die Hekatoncheiren (die »Hundertarmigen«). Da Uranos diese nicht aus dem Schoß der Mutter herauslässt, rächt sich Gaia an ihm, indem sie ihren jüngsten Sohn Kronos überredet, den Vater mit einer Sichel zu entmannen. Damit geht die Herrschaft an die nächste Generation über.Ihr wichtigster Gott ist Kronos, seine Gemahlin die Titanin Rheia. Doch Gaia prophezeit ihm, dass eines seiner Kinder ihn stürzen würde, deshalb verschlingt er jedes sofort nach der Geburt. Den jüngsten Sohn jedoch, Zeus, rettet Rheia, indem sie Kronos einen in ein Tuch gehüllten Stein gibt. Zeus wird im Verborgenen auf der Insel Kreta von Nymphen aufgezogen; herangewachsen, zwingt er den Vater, die Geschwister (Hades, Hera, Demeter, Hestia, Poseidon) wieder auszuspeien, bezwingt die Titanen vom Berg Olymp aus in einer Schlacht, die zehn Jahre dauert (»Titanomachie«), und schleudert sie in den Tartaros. Einzig Okeanos, der Weltstrom, der die Erde umschließt, behält seine Macht. Damit ist Zeus der Herr der Götter, er herrscht über den Himmel und teilt seinen Brüdern die anderen Räume zu: Poseidon das Meer, Hades das Totenreich. Zeus' Gemahlin wird seine Schwester Hera, durch sie wird er Vater des Ares, der Hebe und der Eileithya, zeugt aber mit Göttinnen, Nymphen und Menschenfrauen, denen er sich in vielerlei Gestalt nähert, eine Vielzahl von Kindern, selbst Götter oder große Helden: mit Leto (Tochter der Titanen Koios und Phoibe) die göttlichen Zwillinge Apollon und Artemis, mit Demeter die Göttin Persephone, mit der Nymphe Maia den Gott Hermes, mit der Titanin Themis die Horen (Eunomia, die Gesetzlichkeit, Dike, die Gerechtigkeit, Eirene, den Frieden), mit der Titanin Mnemosyne die Musen, mit der Sterblichen Semele den Gott Dionysos, mit Danaë den Helden Perseus, mit Europa König Minos. Durch Leda wird er Vater der schönen Helena und des Dioskuren Polydeukes, während dessen Zwillingsbruder Kastor Sohn des Tyndareus ist, des sterblichen Gemahls der Leda; ebenso hat der Held Herakles, Sohn des Zeus und der Alkmene, den sterblichen Zwillingsbruder Iphikles, Sohn des Amphitryon (die Liebesabenteuer sind bei Hesiod nur angedeutet). Auch die mächtige Göttin Athene ist eine Tochter des Zeus, doch entsprang sie - voll gerüstet - seinem Haupt; Hera bringt den Gott Hephaistos nur aus eigener Kraft hervor. Die strahlende Aphrodite aber entsteigt dem Meer, nachdem die Blutstropfen des entmannten Uranos hineingefallen sind.Als eigentliche »olympische Götter« gelten Zeus, Hera, Poseidon, Demeter, Apollon, Artemis, Athene, Aphrodite, Hestia, Hephaistos, Ares und Hermes. Nachkommen anderer Titanen haben gleichfalls göttlichen Rang, so sind die Gottheiten der Gestirne Helios, Selene und Eos Kinder des Hyperion und der Theia; die düstere Hekate ist Tochter des Perses und der Astreia. Okeanos und Tethys haben gemeinsam dreitausend Töchter (die »Okeaniden«, eine davon die Schicksalsgöttin Tyche) und dreitausend Söhne. Prometheus, Herausforderer des Zeus, ist ein Sohn des Titanen Iapetos.Die menschlichen GötterDie griechische Religion räumte den Göttern keine Allmachtstellung ein. Wie die Menschen waren sie dem Schicksal unterworfen, das von den Moiren (bei Hesiod einmal Töchter der Nacht, zum anderen des Zeus und der Themis) verkörpert wird. Die Götter müssen sich, wie die Menschen, vor der Hybris hüten, der Selbstüberhebung. Die durch die griechische Literatur tradierten Mythen schreiben vielen Göttern menschliche Eigenschaften zu: Hera ist eifersüchtig auf die zahllosen Geliebten des Zeus, Demeter trauert wie eine menschliche Mutter, als sie ihre Tochter Persephone an den Herrscher der Unterwelt, Hades, verloren hat, Hephaistos stellt seiner Gemahlin Aphrodite und ihrem Liebhaber Ares eine Falle.Vom vielfältigen Eingreifen der Götter in Leben und Handeln der Menschen wird gleichfalls berichtet. Das berühmteste Beispiel ist der Trojanische Krieg, der auf göttlichen Streit zurückgeht. Wie Troer und Griechen stehen sich die Götter feindlich gegenüber und helfen der jeweils von ihnen begünstigten Partei: Aphrodite, Ares, Apollon und Artemis aufseiten der Troer, Hera, Athene, Poseidon und Hephaistos aufseiten der Griechen. Nur Zeus steht über den Kämpfenden und entscheidet den Krieg nach der Waage des Schicksals.Auf Beleidigungen durch die Menschen, bewusste oder unbewusste, reagieren die Götter mit unnachsichtiger Rache: Poseidon verfolgte Odysseus unbarmherzig auf seinen Irrfahrten durch die Meere, weil der Held einen Sohn des Gottes, den Kyklopen Polyphem, geblendet hatte. Hera ist die unversöhnliche Feindin des Herakles, Sohn der Alkmene und ihres untreuen Gemahls, bis der Held nach seinem Tod in den Olymp aufgenommen wird. Der zurückgewiesene Liebhaber Apollon bestraft die troische Königstochter Kassandra damit, dass ihre Weissagungen keinen Glauben finden. Besonders grausam bestraft wird Tantalos für seine Freveltaten, nicht nur er selbst muss ewige Qualen erleiden, auch auf seine Kinder und Kindeskinder (u. a. Niobe, Atreus, Thyestes, Agamemnon) warten schreckliche Schicksale. Andererseits stehen die menschlichen Nachkommen der Götter unter deren Schutz: Die Meeresgöttin Thetis, Mutter des Achill, macht den Sohn durch ein Bad im Unterweltfluss Styx unverwundbar (nur die »Achillesferse«, an der sie ihn festhält, ist davon ausgenommen); Perseus, Sohn des Zeus und der Danaë, erhält bei seinen Abenteuern Hilfe durch Athene und Hermes; dem Aineias (römisch Aeneas), einem Sohn der Aphrodite, helfen die Götter bei der Flucht aus dem brennenden Troja.Die Götter in der griechischen GesellschaftIn den Stadtstaaten der klassischen griechischen Zeit war die Verehrung der Götter nicht an Dogmen gebunden. Die olympischen Götter verkörperten das Prinzip der Ordnung gegenüber dem Chaos; sich ihnen gleich zu dünken, galt als schwere Verfehlung (Hybris). Mit mannigfaltigen kultischen Handlungen, Opfern, Mysterien (so für Demeter und Dionysos) und Spielen (so für Zeus in Olympia) wurde ihr Wohlwollen erfleht. Obwohl die großen Götter in der gesamten griechischen Einflusssphäre verehrt wurden, hatte jede Stadt, jeder Teil des Landes eine besondere Schutzgottheit: Athene als Namengeberin war die mächtige Schutzherrin Athens und Attikas, Hera die von Argos, Korinth stand unter dem Schutz Poseidons, Delphi und Delos unter dem Apollons. Beinamen verwiesen auf besondere Aspekte des Kults (Apollon ist als Paian der Heiler, als Patrios der Städtegründer, Poseidon ist als Enosichthon der Erderschütterer, Zeus als Horkios der Wächter über die Verträge).Um den Willen eines bestimmten Gottes zu erfahren, befragte man das Orakel, das - vermittelt durch Priester und Priesterinnen - nach Beachtung genauer Regeln und Opfern Ratschläge oder Auskünfte gab. Der griechische Mythos kennt zahlreiche Beispiele, wie ein Orakel- bzw. Seherspruch menschliches Handeln beeinflusste (die zwölf Arbeiten des Herakles, die Opferung der Iphigenie, das Schicksal des Ödipus). Wichtigster Orakelgott war Apollon mit seinem ursprünglich der Themis gehörenden Heiligtum in Delphi, aber auch an anderen Orten (Argos, Didyma u. a.). Wichtige Orakel des Zeus befanden sich in Dodona und Olympia.Wie das Verhalten der Götter menschlich war, so war es auch ihre Gestalt. Die bildende Kunst der Griechen der klassischen Zeit hat uns erhaltene Beispiele hervorgebracht, die Götter als vollendet schöne, Ehrfurcht gebietende Menschen zeigen, deren Faszination sich auch der heutige Betrachter nicht entziehen kann: die »Aphrodite von Melos« (»Venus von Milo«), den »Apoll vom Belvedere«, die »Athena Lemnia«, die »Artemis von Versailles«, den »Hermes mit dem Dionysosknaben«.Die fremden GötterSeit archaischer Zeit übernahmen die Griechen die Verehrung von Gottheiten anderer Kulturen, die dabei auch mit heimischen Göttern verbunden und identifiziert wurden. Aus Kleinasien gelangte schon früh der Kult der Kybele über Griechenland in den gesamten Mittelmeerraum. Ihr Wesen war widersprüchlich: Als »Große Mutter« war sie einerseits Schutzherrin der Städte (sie wurde mit Mauerkrone dargestellt), andererseits eine wilde, blutige Göttin, der in orgiastischen Festen gehuldigt wurde. Mit ihr und ihrem Kult verbunden war ihr Geliebter Attis, ein phrygischer Vegetationsgott, der Ähnlichkeit mit dem phönikischen Adonis aufweist. Der junge schöne Gott wurde bei den Griechen zum Geliebten der Aphrodite, begehrt auch von der Unterweltherrin Persephone und durch sein wechselndes Weilen in Unter- und Oberwelt Symbol der sterbenden und wieder erwachenden Natur.Parallel zur schwindenden Bedeutung der Polis seit dem 4. Jahrhundert v. Chr., besonders aber in der Zeit der hellenistischen Kultur, erlangten neben den orientalischen vor allem die ägyptischen Götter große Beliebtheit. An erster Stelle ist hier die schon Herodot bekannte Isis zu nennen, deren Kult mit in Griechenland lebenden Ägyptern dorthin kam. Sie galt als Kulturbringerin und Beherrscherin sowohl des Kosmos als auch des menschlichen Schicksals. Ihr war, in Gleichsetzung mit Demeter, ein Mysterienkult gewidmet. Auch der in der gesamten hellenistischen Welt verehrte Sarapis (Serapis) ist ägyptischer Herkunft (dort ursprünglich als Apis-Osiris der mit dem Unterweltsgott Osiris vereinigte verstorbene Apis-Stier); um die pantheistische Gestalt ranken sich keine Mythenerzählungen.Das WeiterlebenNachdem der römische Kaiser Theodosius I. das Christentum zur Staatsreligion erklärt hatte, war im gesamten Römischen (Byzantinischen) Reich, also auch auf griechischem Territorium, seit 391/392 die Verehrung der heidnischen Götter verboten. Dennoch sind ihre Namen, ihre Symbole und ihre Geschichten ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Kultur geworden.Schon früh (etwa im 6. Jahrhundert v. Chr.) hatte griechischer Einfluss die Göttervorstellungen der Etrusker und damit später auch der Römer geformt. Die Römer glichen die alten italischen Götter den griechischen an und übernahmen die Mythen unter den lateinischen Namen auch in ihren Staatskult (so die Zurückführung des julischen Geschlechts auf die Ahnherrin Venus/Aphrodite), die Meisterwerke der römischen Literatur schöpften ihre Stoffe daraus (Vergil, Ovid). So überdauerten die griechischen Götter in der Literatur. Ihre Texte wurden auch bewahrt in den »dunklen Jahrhunderten«, besonders in der blühenden arabischen Kultur, bis am Hofe Karls des Großen das Interesse an der antiken Kultur wieder erwachte und auch nicht christliche Texte durch Abschriften erhalten und weitergegeben wurden (»karolingische Renaissance«). Mit der Vorherrschaft der lateinischen Sprache im gesamten Mittelalter erhielten auch die klassischen weltlichen Texte einen herausragenden Stellenwert im Bildungssystem. Durch die Lektüre von Vergil und Ovid gelangte die Kenntnis der griechischen Göttergestalten, wenn auch in römischer Interpretation, an Klosterschulen und Universitäten. Auch die homerischen Epen blieben, sei es durch lateinische Übersetzung oder durch die Nacherzählungen der mittelalterlichen »Trojaromane«, immer lebendige Überlieferung. In der mittellateinischen Dichtung begegnen häufig Metaphern und Anspielungen auf antike Götter. Im »Inferno« von Dantes »Göttlicher Komödie« sind die Gestalten des antiken Mythos allgegenwärtig. Schließlich brachten Renaissance und Humanismus eine Rückbesinnung auf die antike Kultur, vor allem auf die griechischen Wurzeln. Damit gehörte die Welt der griechischen Götter endgültig zum europäischen Bildungsgut und stellt bis in die Gegenwart ein unerschöpfliches Stoff- und Motivreservoir für Kunst und Literatur dar.
Universal-Lexikon. 2012.